Aller Augen warten auf dich, Herr, du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit. (Psalm 145,15)
Erwartungsvoll, etwas nervös, stehe ich am Fenster und warte auf die Ankunft eines lieben Menschen und bin glücklich, wenn sein Auto von Weitem naht, oder bin besorgt, wenn die vereinbarte Ankunftszeit längst überschritten ist, ohne dass die erwartete Person eintrifft.
Sehnsuchtsvoll warten Kinder auf ihren Geburtstag und auf Weihnachten. Sie sind glücklich, wenn das Fest endlich da ist und sie die erwarteten Geschenke auspacken können. Und sie sind traurig, wenn sich in den Päckchen anderes als das Erwartete befindet. Erfüllt sich jedoch die Erwartung, so tritt alles Warten in den Hintergrund, und die Freude ist riesengroß – zumindest für den Augenblick. Dass die Zeit des Wartens jedoch wesentlich länger ist als die Zeit der Erfüllung und schon recht bald von einer neuen Wartezeit abgelöst wird, das lehrt uns die Erfahrung. Wie gut ist es, sich in solchen Zeiten an das Glück erfüllter Erwartungen erinnern zu können.
Auch der Psalmist wartet. Seine Erwartung richtet sich auf Gott. Von Gott erwartet er die Erhörung seiner Gebete. Seiner Erwartung geht der Lobpreis voraus. Er rühmt den Gott, dessen Güte und Wunderwerke er in der Vergangenheit in so großer Zahl erfahren hat. Aus dieser Erfahrung heraus ist er gewiss, dass Gott sich auch in Zukunft als der zeigen wird, dem er vertrauen und an den er sich mit all seinen Anliegen wenden kann. Die Erinnerung an Gottes Güte ermutigt den Beter, auch künftig Großes von Gott zu erwarten.
Wie ist das bei mir? Kenne ich diese mit Gewissheit gepaarte Erwartung auch? Und noch viel mehr, worauf warte ich, wenn ich an Gott denke? Ja, auch ich warte darauf, dass Gott sich in Zukunft so zeigt, wie er sich in der Vergangenheit gezeigt hat. Ich warte darauf, dass er meinen Glauben stärkt und mir aus seinem Wort heraus die Gewissheit seiner Nähe schenkt. Dass Gottes Wort eine nahrhafte Speise in guten und schweren Zeiten ist, das habe ich an so manchen Tagen erfahren. Und trotzdem stellen sich oft Zweifel an der Wirksamkeit dieses Wortes ein. Was einmal unumstößliche Gewissheit war, wird von manch anderen Stimmen dergestalt übertönt, dass sich Zweifel selbst da breitmachen, wo ich nur eines will: sehnsuchtsvoll darauf warten, dass Gott sich mir immer wieder so zeigt, wie er sich dem Psalmbeter gezeigt hat. Voll Freude will ich dann in den Psalter einstimmen und singen: Meine Augen warten auf dich, denn du gibst mir Speise zur rechten Zeit.
Ein gesegnetes Wochenende und eine gute Woche wünscht Ihnen
Pfarrer Achim Gerber