Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden. (Psalm 90, 12)
Gerade war Totensonntag. Wir haben an die gedacht, die uns voraus gegangen sind – vor kurzem oder schon vor einiger Zeit –, die wir verloren haben und nun vermissen. Wir haben unsere Hoffnung ausgedrückt, dass sie bei Gott sind, und dass er sie bewahrt. Und wir haben ihre Namen genannt und Kerzen angezündet in der Kirche und vielleicht zu Hause auch.
Damit haben wir den Totensonntag für uns zum Ewigkeitssonntag gemacht, wir haben der Dunkelheit ein Licht entgegengestellt. Wir haben gezeigt, dass wir dem Tod nicht das Letzte Wort lassen wollen. Und wir haben nicht nur getrauert, sondern auch gehofft: So flackernd wie eine Kerze vielleicht, so zart wie das Licht eines Teelichts, aber doch gehofft!
Und im Grunde gleich schon haben wir Advent, und wieder werden Kerzen angezündet, am Adventskranz diesmal. Eine Freudenzeit soll das sein: Tochter Zion, freue dich! Gut aber, dass es vier Wochen sind, bis die Weihnachtstage kommen. Gut, dass es vier Kerzen gibt, die wir entzünden können, ganz langsam. Zumindest für mich ginge das sonst zu schnell, meine Seele muss hinterherkommen, von der Trauer zur Freude am Weihnachtsfest.
Die Kerzen, sie verbinden das alte und das neue Kirchenjahr, einmal am Ende und nun am Anfang leuchten sie uns. Auf den ersten Blick flackern sie in ganz verschiedene Richtungen. Die eine Kerze erzählt vom Abschied, vom Gehen-Lassen-Müssen, vom Verlust auch und von der Trauer. Sie leuchtet von uns weg. Die andere Kerze, die jetzt, die im Advent, die erzählt vom Kommen-Lassen-Können, vom Warten auf das große Fest, von Jesu Geburt: Gott kommt in die Welt. Sie leuchtet zu uns her.
Und doch: Nicht ganz in unterschiedliche Richtungen leuchten sie, oder vielleicht doch in zwei Richtungen, aber sie treffen sich in der Mitte. Die Kerzen am Ewigkeitssonntag und die im Advent, sie beide erzählen: Vom Leben, und nur deswegen vom Tod. Trauer und Freude, beides gehört da hinein, und das Evangelium, das zum 1. Advent gehört, es steht genau dafür. Es ist ja eigentlich ein Palmsonntagstext: Jesus zieht in Jerusalem ein, in die Stadt, in der er sterben wird, in der er sich dem Tod aussetzt. Diesen Text am 1. Advent? Ja, ganz genau. Weil eben beides zusammengehört: Die Hirten auf dem Felde, die angesichts der Geburt Jesu singen und fröhlich sind, und die Jünger, die ansehen müssen, wie Jesus gekreuzigt wird. Beides gehört zusammen: Gott in der Krippe, der zu den Menschen kommt, und Gott am Kreuz, von allen Menschen verlassen.
Und beides gehört zusammen: Unsere tränenblinden Augen am Grab ebenso wie die leuchtenden Kinderaugen am Weihnachtsbaum. Der Totensonntag und der 1. Advent, der Ewigkeitssonntag und Weihnachten, das Licht für die Toten und das Licht am Adventskranz, beides gehört zusammen.